(Quelle: Heft "Märkische Heimat" , "Beilage zur Märkischen Zeitung 1939" )
Schwere Jahre bedeuteten für Hermann Ramm die Zeit des Weltkrieges und die darauffolgenden Jahre der Inflation. Sein Mühlenbetrieb war sillgelegt; er war nur auf den Ertrag seiner Landwirtschaft angewiesen, soweit er nicht vom Kapital lebte oder sich durch Aufnahme von Sommergästen etwas dazuverdiente. Der Ablieferungszwang landwirtschaftlicher Produkte war für ihn eine harte Last. Als der Krieg vorbei war, litt er sehr unter den traurigen Zuständen, die der Revolte folgten. Eine allgemeine Verwilderung der Sitten war eingerissen, der Unterschied zwischen „Mein und Dein“ fand kaum noch Beachtung. Wie übel es um Boltenmühle stand, geht aus folgenden Angaben Ramms in der Steuererklärung für das Jahr 1921 hervor. Der Mühlenbetrieb sei stillgelegt, da eine genügende Stauung, um die nötige Wasserkraft für die Mühle zu haben, nicht möglich sei. Die Milchwirtschaft bringe nur geringen Ertrag, da es an genügender Weide fehle und die Kühe zeitweise trocken ständen. Bei dem Federvieh seien vielfach Verluste eingetreten, sowohl durch Raubwild wie auch durch Diebstähle. Im Garten seien die unreifen Früchte von den Bäumen sämtlich gestohlen und auch die Obstbäume stark beschädigt. Das Gemüse sei ebenfalls zum erheblichen Teil gestohlen. Endlich seien Äcker, Wiesen und Gärten wiederholt durch Hirsche, Rehe, Wildschweine, Dachse und Wildtauben verwüstet worden. Das Wild sei derartig dreist, daß es, wie die Fährte beweise, seinen Wechsel auf dem Holzplatz habe. Infolgedessen sei ein eigentlicher Reinertrag kaum verblieben. Diese Steuererklärung gibt ein erschütterndes Bild dafür, wohin es mit Boltenmühle gekommen war. Nach der Stabilisierung der Währung kamen zwar bessere Jahre, aber Ramm war zu alt, um wieder neu anzufangen.
Bereits im Jahre 1918 halte er sein 70. Lebensfahr vollendet. Dazu kam, daß er infolge der schweren Erfahrungen, die er hinter sich hatte, ein seelisch gebrochener Mann war. Er zog sich in sich selbst zurück. Es ist ja noch bekannt, daß er sein Grundstück selbst gegen jeden Fußgängerverkehr absperrte. So mancher Ausflügler mußte einen Umweg machen, weil er nicht über Boltenmühler Gebiet laufen dürfte. Nur den Schulklassen gab er häufig den Weg frei. Dafür beanspruchte er oft, daß die Kinder ihm gemeinsam ein schönes Lied vorsangen. Ein Wunsch, dem wohl fast immer gern entsprochen wurde. Hochbetagt starb Hermann Ramm schließlich im Jahre 1932. Es ist nicht ganz leicht, ein Charakterbild von Hermann Ramm zu geben. Die meisten Leute kennen ihn nur durch zahllosen Streitigkeiten. Damit allein wird man ihm aber nicht gerecht.
Er war ein treuer Deutscher und ein guter Christ, für sich persönlich schlicht und anspruchslos und in jüngeren Jahren sehr gastfrei. Selbst unverheiratet, war er für seine Verwandten und Freunde ein liebevoller und umgänglicher Herr, dessen Stimmung allerdings sofort umschlug, wenn das Gespräch auf seine Prozess Streitigkeiten kam. Seinen Untergebenen war er ein gerechter und wohlwollender Arbeitgeber. Sein Verhängnis war, daß er in einer Zeitvoller Kämpfe lebte und nicht die Gewandtheit besaß, sich hier durchzufinden. Er pochte auf das alte Privileg vom Jahre 1718 und übersah dabei, daß die Zeilen sich geändert hatten. Geränderte Zeiten verlangen aber ein anderes Recht. Für Ramms Rechtsauffassung besaßen die staatlichen Behörden kein Verständnis, und da sie die mächtigeren waren, unterlag er schließlich. Seinen zahllosen Beschwerden, durch die er oft Missfallen erregte, lag selten persönliche Rachsucht, sondern in der Regel ein verletztes Rechtsgefühl zugrunde, Dies muß man Hermann Ramm zugutehalten, wenn man ihm völlig gerecht werden will.